Die Arzneistoffsensitivität betrifft vor allem Hunde und Katzen mit dem Genstatus MDR1(-/-). Bei dieser homozygoten Ausprägung fehlt der MDR1-Transporter komplett. Die Tabelle fasst die Studienlage für MDR1(-/-) Hunde zusammen und dient zur Orientierung für eine sichere Arzneitherapie. Hunde mit heterozygotem MDR1-Defekt (Genstatus MDR1(+/-)) haben nur eine leichte Arzneistoffsensitivität, sind aber z.B. bei der Therapie mit Zytostatika und Makrozyklischen Laktonen empfindlicher als MDR1(+/+) intakte Hunde. Für MDR1(-/-) Katzen ist die Studienlage noch sehr dünn, es gibt aber dokumentierte Vergiftungen nach Anwendung von Ivermectin und Eprinomectin. Auch für MDR1(-/-) Katzen dient die Tabelle zur Orientierung für eine sichere Arzneitherapie.

Studienlage

MDR1-Arzneistoffe

Verstärkte bis toxische Wirkung gezeigt bei Hunden mit MDR1-Defekt

Antiparasitika: Ivermectin, Doramectin, Moxidectin (bei Überdosierung oder oraler Anwendung), Milbemycinoxim (bei Überdosierung), Emodepsid (bei Überdosierung und Nicht-Nüchtern-Anwendung)

Zytostatika: Vincristin, Vinblastin, Doxorubicin, Paclitaxel, Dactinomycin

Antiemetika: Ondansetron

Antibiotika: Erythromycin

Herz-Kreislauf-Therapeutika: Digoxin

Opioide: Loperamid, Butorphanol, Apomorphin

Neuroleptika: Acepromazin

Studien an Hunden mit MDR1-Defekt ohne toxische Effekte bei therapeutischer Dosierung

Antiparasitika: Moxidectin (spot-on), Selamectin, Milbemycinoxim, Emodepsid (Nüchtern-Anwendung), Spinosad, Fluralaner, Afoxolaner, Sarolaner

Verstärkte bis toxische Wirkung gezeigt bei Katzen mit MDR1-Defekt

Antiparasitika: Ivermectin, Eprinomectin

Keine klinischen Studien bei Hunden und Katzen, aber ggf. verstärkte bis toxische Wirkung bei MDR1-Defekt

Zytostatika: Etoposid, Mitoxantron

Glucocorticoide: Dexamethason, Prednisolon

Säuresekretionshemmer: Cimetidin, Famotidin

Antiemetika: Domperidon, Metoclopramid

Immunsuppressiva: Tacrolimus, Cyclosporin A

Antibiotika: Doxycyclin, Levofloxacin, Rifampicin

Antimykotika: Itraconazol, Ketoconazol

Herz-Kreislauf-Therapeutika: Amiodaron, Diltiazem, Verapamil

Antiepileptika: Phenobarbital, Phenytoin, Levetiracetam

Opioide: Morphin, (Levo)-Methadon, (Nor)-Buprenorphin, Fentanyl, Alfentanil, Pentazocin, Pethidin

Modifiziert nach Müller und Geyer (2021)

Antiparasitika

Bei Hunden und Katzen mit MDR1-Defekt sollten nur Antiparasitika verwendet werden, welche explizit für diese Tierart zugelassen sind. Die Dosierungs– und Anwendungsvorschriften der Hersteller sollten dabei streng eingehalten werden. Off-Label Anwendung, Überdosierung, Nicht-Nüchtern-Anwendung oder orale statt Spot-On-Anwendung können zu Vergiftungen führen. Bei Katzen mit starkem Putzverhalten muss beachtet werden, dass als Spot-On aufgetragene Präparate zumindest teilweise auch oral aufgenommen werden. Hunde und Katzen mit MDR1-Defekt sollten auch von der Entwurmung von Pferden ferngehalten werden, da hier hochdosierte Präparate mit Ivermectin und Moxidectin verwendet werden, welche lebensbedrohliche Vergiftungen auslösen können.

Zytostatika

Vincristin, Vinblastin, Doxorubicin oder Paclitaxel, welche im Rahmen der Tumortherapie eingesetzt werden, wirken bei MDR1-Defekt vermehrt toxisch. Ein PCR-Test auf MDR1-Defekt wird vor Anwendung dringend empfohlen, ggf. muss dann die Dosierung reduziert werden.

Opioide

Das sonst nur peripher als Antidiarrhoikum wirkende Loperamid erreicht bei MDR1-Defekt das Gehirn und wirkt dort toxisch. Auch andere Opioide dringen bei MDR1-Defekt stärker ins Gehirn ein. Kritisch ist dabei die vermehrt atemdepressive Wirkung. Für Butorphanol wird konkret eine Dosisreduktion von 30-50% bei Genstatus MDR1(-/-) und 25% bei Genstatus MDR1(+/-) empfohlen.

Narkose

Bei MDR1-Defekt sollte die bewährte Narkoseform beibehalten werden, Inhalationsnarkosen sind aber zu bevorzugen. Für Acepromazin wird für die Narkoseprämedikation konkret eine Dosisreduktion von 30-50% bei Genstatus MDR1(-/-) und 25% bei Genstatus MDR1(+/-) empfohlen. Propofol, Alfaxalon, alpha2-Agonisten und Benzodiazepine können sicher angewendet werden. Ketamin ist ein MDR1-Substrat und sollte zurückhaltend dosiert werden.

Antibiotika

Antibiotika sollten in voller Dosierung verabreicht werden. Eine engmaschige Blutbildkontrolle lässt eine ggf. toxische Wirkung, z.B. auf die Nieren, frühzeitig erkennen.